Alljährlich am 30. September findet der internationale Übersetzertag statt. Auf der offiziellen Homepage zum Übersetzertag heißt es: »Der Übersetzertag soll das Bewusstsein für die Bedeutung der Übersetzung in Vergangenheit und Gegenwart wecken und zeigen, wer hinter den Übersetzungen steht, mit denen jeder ständig konfrontiert ist.« Genau das wollen wir die nächsten Tage tun! Pünktlich zum Übersetzertag (nach dem Bibelübersetzer und Schutzpatron des Berufsstandes auch »Hieronymustag« genannt) sprachen wir mit sechs Übersetzerinnen und Übersetzern – über den Reiz und die Herausforderungen des Übersetzens und die kniffligsten Sätze. Nach und nach stellen wir Ihnen die Antworten vor. Heute: Die Antworten zur Frage »Was reizt Sie am meisten beim Übersetzen?«
Was reizt Sie am meisten beim Übersetzen?

Bernhard Robben: »Mit jedem neuen Buch in eine neue Welt abzutauchen, der ich mich drei, vier Monate fast ausschließlich überlasse; ihre Sprache, ihre Sicht- und Denkweisen zu lernen, bis ich gut genug bin, um mich als Einheimischer durchmogeln zu können.«

Franka Reinhart: »Besonders liebe ich die Vielfalt. Mit jedem Übersetzungsprojekt tauche ich gedanklich und sprachlich in eine andere Welt ein. Ich beschäftige mich dadurch auch mit Themen, die ansonsten vielleicht an mir vorbeigegangen wären. Insofern ist es mir wichtig, nicht zu sehr in einem bestimmten Genre verhaftet zu sein.«

Uwe-Michael Gutzschhahn: »Das Finden einer Sprachmelodie im Deutschen, die der des Originals so nahe wie möglich kommt und so klingt, als wäre das Buch von Anfang an in Deutsch geschrieben und keine Übersetzung.«

Heike Schlatterer: »Die Begegnung und Auseinandersetzung mit immer neuen Themen, das ›Sich-Hineinversetzen‹ in eine andere Denkweise und Sprache.«

Michaela Meßner: »Gute Frage. Gold und Ruhm gewiss nicht. Vielleicht die Vielfalt der Themen. Das tiefe Eintauchen in eine fremde Welt, ein fremdes Land oder eine fremde Zeit. Die Wiedergabe all der fremden Stimmen, Geschichten, Gedanken, Schilderungen in meiner eigenen Sprache. Das ist eine lustvolle Angelegenheit. Das Ringen um den richtigen Ton ist immer ein spannender Prozess. Und dieser Prozess umfasst mehrere Phasen. Der erste Durchgang ist meist ein großes Gemetzel. Ich übersetze den ganzen Text einmal schnell runter, verweile nicht bei Details, versuche im Fluss zu bleiben. Es ist mehr ein Einstimmen auf den Text, die Figuren, den Ton. Im zweiten Durchgang werden Unklarheiten beseitigt, Recherche betrieben, stilistische Entscheidungen getroffen, die wieder andere Entscheidungen nach sich ziehen. Viele Fragen haben sich bis dahin auch schon von alleine geklärt, in einem hermeneutischen Prozess, der gar nicht recht zu fassen ist, das Werk wird eingekreist, die Bilder klarer, die einzelnen Stimmen bilden sich heraus, alles wird ein halbwegs Ganzes. Und zum Schluss kommt der Feinschliff. Diese Phase ist manchmal die lustvollste. Wenn es gelingt, schöne Lösungen zu finden, sind das sehr befriedigende Momente. Und irgendwann muss man dann zum Ende finden und sich sagen: Jetzt ist es gut, jetzt bist du fertig. Meist zwingt einen allein schon die Deadline dazu. Das Beenden gelingt mir heute besser als früher, aber fertig ist eine Übersetzung nie. Ein paar Jahre später würde ich vieles wieder anders machen. Der Abgabe folgt das Lektorat, ein Segen, wenn hier die Zusammenarbeit gut funktioniert. Aus einem guten Lektorat kann man sehr viel lernen. Übersetzen ist ein Beruf, der viel Selbstdisziplin erfordert sowie die Fähigkeit, Einsamkeit auszuhalten. Und ohne darauf herumreiten zu wollen: Es ist der ideale Beruf für Menschen mit anderen Einkommensquellen. ;-)«

Ute Mihr: »Wie beim Lesen das Eintauchen in fremde Welten mit dem zusätzlichen ›Kick‹, dass ich als Übersetzerin kreativ am Bau der Welt in meiner Muttersprache mitwirke. Außerdem noch die Freiheit, mir auszusuchen wo, wann und wie lange ich arbeite.«
Die Übersetzerinnen und Übersetzer
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Linus Schubert / dtv
Sehr schöne Initiative! Gerne mehr davon.