Stefan Maiwald: 20 Dinge, die Sie noch nicht über den Karneval in Venedig wussten

In diesen Tagen wird farbenprächtig der venezianische Karneval gefeiert. Der Autor Stefan Maiwald lebt in Italien und hat vor kurzem seinen historischen Roman ›Der Knochenraub von San Marco‹ veröffentlicht. Darin entführt er uns während des Carnevale ins Venedig des 16. Jahrhunderts – ganz Venedig spielt verrückt, die Stadt ist ein einziges rauschendes Fest, eine gewaltige Orgie. Doch was wissen Sie eigentlich über den Karneval in Venedig? Stefan Maiwald klärt uns auf! 20 spannende Fakten, von Nashörnern bis zur Karnevalslotterie.

  1. Er wird nachweislich seit 1094 gefeiert und ist damit der älteste Karneval der Welt. 
  2. Früher dauerte der Karneval ein halbes Jahr. Um das 14. Jahrhundert begannen die Feierlichkeiten bereits Anfang Oktober und dauerten bis Ende März. Die Venezianer waren so wohlhabend, dass sie sich die Ausschweifungen problemlos leisten konnten. 
  3. Auf dem Höhepunkt des Karnevals wurden lebende Schweine vom Markusturm geworfen. Der garstige Brauch sollte den Patriarchen von Aquileia verhöhnen, der 1162 besiegt wurde und einen jährlichen Tribut von Schweinen und Ochsen in die Lagunenstadt zu liefern hatte. 
  4. Ebenfalls auf den Sieg über den Patriarchen von Aquileia, übrigens einem Bayer namens Ulrich von Treffen, geht der Brauch zurück, einen Ochsen feierlich vom Dogen zum Tode verurteilen zu lassen. Der Vorsitzende der Schmiedezunft musste dem Ochsen daraufhin mit einem einzigen Schwerthieb den Kopf abschlagen, aber das Schwert durfte trotz des mächtigen Hiebes nicht die Erde berühren. Das Fleisch wurde an Krankenhäuser und Gefängnisse verteilt. 
  5. 1751 präsentierte der Doge Pietro Grimani den Venezianern zum Karneval ein fremdartiges Tier namens Nashorn. 
  6. Karnevalsmuffel gab es nicht: Sogar Bettler trugen Masken, und Mütter setzten ihren Säuglingen eine auf. »Maske ist hier Dienstkleidung«, berichtete ein französischer Reisender im Jahr 1739 verblüfft. 
  7. Der Karneval endete mit Napoleons Eroberung der Stadt und kam 170 Jahre lang zum Erliegen. 
  8. Niccolò Barattieri stellte Ende des 12. Jahrhunderts die ersten öffentlichen Spieltische Europas auf – genau zwischen den Säulen auf dem Markusplatz, die später als Hinrichtungsstätte dienten. Noch heute bringt es Unglück, zwischen ihnen hindurchzugehen. 
  9. 1590 erfanden die Venezianer zur Karnevalszeit eine Lotterie, um die Kosten für den Bau der Rialtobrücke bestreiten zu können. Ein Los kostete zwei Kronen, der Hauptgewinn betrug 100.000 Kronen. 
  10. Eine venezianische Spezialität waren die waghalsigen menschlichen Pyramiden, bei denen Akrobaten der Stadtviertel gegeneinander antraten und sich an Höhe zu überbieten versuchten. Überliefert sind Pyramiden von bis zu acht menschlichen Schichten. Den Gipfel bildete stets ein kleiner, kletterfreudiger Junge, der liebevoll cimiereto genannt wurde, »Helmchen«. Die Pyramiden standen nicht etwa auf festem Boden, sondern auf Brettern über zwei Booten im Wasser, was das Kunststück umso wackliger machte. Im bitterkalten Winter 1788 wurden die Kunststücke auf der zugefrorenen Lagune dargeboten. 
  11. Natürlich gab es auch Feuerwerke. Im Jahr 1526 kam es zu einer folgenschweren Explosion mit vielen Verwundeten, aber der Brauch wurde beibehalten. 
  12. Am 24. Januar 1458 erließ der Rat der Zehn das Verbot, in der Kirche Masken zu tragen. Hintergrund: Offenbar hatten sich Männer als Frauen verkleidet und waren in Nonnenklöster eingedrungen, um dort multas inhonestates zu begehen. Umgekehrt hatten auch Nonnen den Karneval ausgenutzt, um sich verkleidet der verbotenen Lust hinzugeben. 
  13. Im Rausch des Karnevals kam es immer wieder zu Schlägereien und Schlimmerem: 1531 wurde ein Dekret erlassen, das es Maskierten verbot, Waffen zu tragen. Auch war es schon seit 1339 verboten, sich außerhalb des Karnevals nachts zu maskieren. 
  14. Doge Paolo Renier starb am 13. Februar 1789, mitten in der Karnevalssaison. Man verschwieg sein Ableben, um die Feierlichkeiten nicht zu stören, und vermeldete den Tod erst am 2. März. 
  15. Erst 1976, ausgelöst durch Federico Fellinis Film »Casanova«, kam der Karneval wieder zurück. Auch Fellini selbst setzte sich für die Wiederaufnahme der Feierlichkeiten ein. 
  16. Das Maskentragen wurde so beliebt, dass viele Venezianer sie gar nicht mehr ablegten, auch nicht außerhalb des Karnevals. Im Jahr 1608 wurde per Gesetz deutlich gemacht, dass Masken nur zur Karnevalszeit getragen werden dürfen. Ansonsten drohten zwei Jahre Haft oder 18 Monate Galeere »an den Rudern, mit Eisen an den Füßen«. 
  17. Auch sollten die Prostituierten Venedigs immer wieder vom Karneval ausgeschlossen werden (es wurde ihnen beispielsweise verboten, sich zu maskieren), dabei kamen viele Fremde extra ihretwegen in die Stadt, galten die Kurtisanen doch als die besten in ganz Europa. 
  18. Die beliebtesten Verkleidungen der frühen Venezianer: » »uomo selvatico« (»wilder Mann«), mit Fellumhang und Zweigen im Haar, Türke mit Pfeife, Jäger mit Vögeln, Tattergreis, Syphiliskranker. Bald setzte sich auch die Maske des Pestarztes durch. In die schnabelförmige Maske steckte man Watte mit ätherischen Ölen, um die Luft vor dem Einatmen zu filtern. Zudem trug ein Pestarzt – und demnach auch der Karnevalist – einen langen Stock, um die Patienten auf Distanz zu halten. 
  19. Der Karneval war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Im Jahr 1701 wurden während der Karnevalszeit bei etwa 140.000 Einwohnern 30.000 Fremde beherbergt. 
  20. Ein beliebter Brauch: »Giocare alle uova«: Als Teufel verkleidete Männer bewarfen die Häuser der von ihnen angebeteten Damen mit Eiern, die mit Duftwässerchen oder Talkumpuder gefüllt waren.