Zu Besuch bei … Rena Fischer

Was macht eine starke Beziehung aus? Wie gehen Familien mit Schicksalsschlägen um? Und welche faszinierenden Eigenschaften haben Wölfe? Diese und weitere Fragen stellte sich Rena Fischer beim Schreiben ihres neuen Romans ›Das Lied der Wölfe‹. Willkommen in ihrer Schreibwerkstatt!

Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?
Eine Schreibroutine einzuhalten, ist gar nicht so einfach. Meistens sieht der Tag jedoch so aus: Nach dem Morgenspaziergang mit meiner Berner Sennenhündin Kira im Wald, wenn der Kopf erst einmal frisch durchgepustet ist, setze ich mich an den Schreibtisch und lese das durch, was ich am Vortag geschrieben habe. Das hilft mir einerseits, wieder in die Handlung einzutauchen und andererseits kann ich so erste grobe Überarbeitungen vornehmen. Danach schreibe ich weiter bis ca. 16 Uhr. Der weitere Nachmittag ist dann ausgefüllt mit Recherchearbeit, Social Media, etc. Manchmal schreibe ich nach dem Abendessen bis spät in die Nacht. Ich liebe die Stimmung, wenn im Haus Ruhe eingekehrt ist, Kira neben mir unter dem Schreibtisch liegt und leise vor sich hin schnauft und die Dunkelheit uns wie ein schützender Mantel umfängt. Kein Postbote, kein Telefon wird mich jetzt stören. Die besonderen Blüten meiner Texte erblühen meist in diesen Nachtstunden.

Haben Sie dabei feste Rituale?
Die Kaffeetasse und das Wasserglas dürfen auf meinem Schreibtisch nicht fehlen. Ich arbeite am liebsten in der Stille. In Cafés oder in der S-Bahn zu schreiben, könnte ich mir nicht vorstellen. Dort beobachte ich lieber andere Menschen und sammle Inspirationen. Manchmal lasse ich mich aber auch von Musik während des Schreibens inspirieren. Jedoch immer nur von Instrumentalmusik, denn gesungene Worte würden mich zu sehr vom eigenen Text ablenken.

Arbeiten Sie mit einem Notizheft, einer Pinnwand o.Ä.?
Vorneweg: Ich liebe schön gestaltete Notizbücher und habe eine große Sammlung davon. Eines meiner Highlights ist ein Notizbuch aus schwarzem Schieferstein von König Artus‘ Tintagel Castle. Aber ich benutze sie nur für private Aufzeichnungen. Ein Romanprojekt würde zu viele Notizbücher füllen, deshalb arbeite ich hier viel lieber digital. Ich muss meine eigenen Ideen zu Figuren, dem Setting, Gegenständen oder Gebäuden durch zahlreiche Fotos und Textrecherchen ergänzen. Außerdem lege ich Mindmaps zu den Figuren an, um die Beziehungen untereinander und die Konflikte besser auf einen Blick darzustellen. Auf dem Computer kann ich sie dann beliebig hin und her verschieben, Neues ergänzen, anderes streichen, das geht auf dem Blatt Papier nicht so gut. Auch den Plotverlauf mit Höhe- und Wendepunkten skizziere ich mit dem Programm vorneweg. Wenn mir unterwegs Ideen kommen, spreche ich sie in die Notizen-App meines Handys, die mit dem Laptop synchronisiert ist. Auf diese Weise habe ich alles immer griffbereit und muss auf Reisen nur den Laptop mitnehmen. Mein Schreibprogramm verfügt auch über eine digitale Pinnwand, auf der ich einzelne farbige Notizzettel abheften kann. Das ist für schnelle Ideen, die ich festhalten will, sehr hilfreich.

Was wollten Sie als Kind werden?
In der Grundschule wollte ich Tierärztin werden.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Einerseits natürlich durch das Lesen. Geschrieben habe ich aber auch schon seit frühester Kindheit. Ich habe Reisetagebücher verfasst, mir kleine Geschichten ausgedacht, besondere Erlebnisse im Alltag zu Papier gebracht, mir meinen Herzschmerz von der Seele geschrieben und meine Lieblingsbücher und -filme mit einem anderen Ende oder einer Fortsetzung versehen. Damals nannte man das nur noch nicht Fanfiction. Auf die Idee, Schriftstellerin zu werden, bin ich erst viel später gekommen. Meine Geschichten waren für mich lange Zeit mein persönliches Refugium, die geheime kreative Insel, auf die ich zum Ausgleich vom Brotjob geflüchtet bin. Erst viel später, als ich begann, Geschichten für meine Kinder zu schreiben, und meine Tochter darauf bestanden hat, dass ich eine davon – sie wurde dann tatsächlich mein erstes veröffentlichtes Jugendbuch – unbedingt an einen Verlag schicken soll, habe ich mir darüber Gedanken gemacht, professionell zu schreiben. Ich bin meiner Tochter heute noch dankbar dafür, dass sie mir diesen Schubs in ein neues Berufsleben gegeben hat.

Welcher Autor/welches Buch hat Sie nachhaltig geprägt?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich habe schon immer viel und in allen möglichen Genres gelesen, weshalb ich jetzt einfach nur spontan ein paar Autor*innen herauspicken kann: Michael Ende, Siegfried Lenz, Umberto Eco, Tanja Blixen, Richard Yates, Terry Pratchett und natürlich Jane Austen. Ich liebe es, wie sie in ›Pride and Prejudice‹ der damaligen englischen Gesellschaft mit viel Wortwitz und Spott einen Spiegel vorhält.

Welcher Autor sollte unbedingt noch entdeckt werden?
Schwer zu sagen – die Bücher, die ich lese, stammen schließlich von Autor*innen, die bereits veröffentlicht, also ›entdeckt‹ wurden. Aber ich entdecke für mich selbst immer wieder alte Bücher im Regal neu, die ich z.B. irgendwann als Teenager oder Studentin gelesen habe und finde die Kommentare, die ich damals mit Bleistift an den Rand skizziert habe, äußerst spannend. Manchmal bin ich noch der Meinung von damals, manchmal hat sich meine Sichtweise vollkommen verändert.

Welches Buch hat Sie jüngst begeistert?
Das waren ›Der Gesang der Flusskrebse‹ von Delia Owens und der erste Band der Winter-Frauen-Trilogie von Astrid Ruppert.

Wen oder was wollen Sie unbedingt noch lesen?
›Der begrabene Riese‹ von Kazuo Ishiguro und ›Das Foucaultsche Pendel‹ von Umberto Eco.

Was lesen Sie zurzeit?
Den zweiten Band der Winter-Frauen-Trilogie ›Wilde Jahre‹ von Astrid Ruppert.

Wo lesen Sie am liebsten?
Vollkommen egal. Natürlich sucht man sich gerne einen gemütlichen Platz, z.B. die Couch, aber wenn mich ein Buch gefangen nimmt, kann ich auch im Stehen in der S-Bahn lesen und so in der Geschichte versinken, dass ich das Aussteigen verpasse.

Wofür legen Sie jedes Buch beiseite?
Für meine Familie und Menschen, die mir besonders am Herzen liegen.