Olga unterwegs: Im Interview mit Dr. Eva Wlodarek

Betritt man unser Verlagsgebäude ist Olga Tsitiridous Gesicht das Erste, das einem vom Empfang entgegenstrahlt. Für uns lässt Olga aber immer wieder ihren Schreibtisch zurück und macht sich auf die Suche nach neuen, spannenden Stories über alles, was ein Bücherherz bewegt. Diesmal spricht Olga mit Dr. Eva Wlodarek. Sie ist Diplom-Psychologin, Coach, Buchautorin und hat einen eigenen Youtube-Kanal. Im Interview erklärt sie unter anderem, wie wir uns auf Positives fokussieren können. Außerdem spricht sie über ihre Lesebegeisterung und über eines der schönsten Themen der Welt: das Glück.

Wer dankbar ist, kann nicht unglücklich sein.


Olga Tsitiridou (dtv): Warum hat man manchmal bei strahlend blauem Himmel nur Augen für die einzige dunkle Wolke?

Dr. Eva Wlodarek: Sich auf Mängel zu fokussieren, betrifft nicht nur ausgewiesene Miesepeter, sondern ist eine spezifisch menschliche Eigenheit. Seit Jahrtausenden hat unsere Spezies das Muster »Schlechtes wirkt stärker als Gutes« verinnerlicht. Im Prinzip hat die Natur das durchaus sinnvoll eingerichtet. Auf Negatives zu achten, hat nämlich eine Schutzfunktion. Es sorgt dafür, dass wir eine Situation vorsichtig angehen, uns gegebenenfalls zurückziehen oder Strategien zur Bewältigung finden. Der große Nachteil ist nur, dass uns dabei das Positive aus dem Blick gerät. Von daher beeinflusst ein einziges deprimierendes Ereignis am Tag unsere Stimmung weitaus mehr als gleichzeitig vorhandene positive Bedingungen.

Es gibt manchmal Tage, in denen wir ohne Mut sind, überflutet von schlechten Nachrichten, beladen mit Sorgen. Was können wir tun, um durch so einen Tag zu kommen?

Dazu habe ich drei bewährte Tipps, die Sie jederzeit anwenden können:

Ändern Sie Ihre Gedanken

Ihre Gedanken bestimmen Ihre Gefühle. Wenn Ihnen durch den Kopf geht: »Warum passiert das ausgerechnet mir?« oder »Das ändert sich nie«, dann schicken Sie den Satz durch diesen Filter: Tut er mir gut? Stärkt er mich? Macht er mich mutig? Ist das nicht der Fall, dann lassen Sie diesen Gedanken bewusst los, indem Sie energisch »Stopp« sagen. Ersetzen Sie ihn gleich durch einen positiven Gedanken.

Aktivieren Sie Ihre Dankbarkeit

Wer dankbar ist, kann nicht unglücklich sein. Zählen Sie fünf Dinge auf, für die Sie aktuell dankbar sind. Falls Ihnen gar nichts einfällt, dann danken Sie für die Basics wie klares Wasser aus der Leitung, warme Kleidung oder genug zu essen. Auch das ist schließlich nicht selbstverständlich.

Machen Sie eine Nachrichten-Diät

Wir werden durch eine ständige negative Nachrichtenflut der Medien niedergedrückt. Das gilt nicht nur für Corona. Das meiste deprimiert uns, ohne uns tatsächlich zu betreffen und ohne dass wir darauf Einfluss nehmen können. Verzichten Sie deshalb so weit wie möglich auf Nachrichten. Wirklich wichtige Informationen werden Sie mit Sicherheit trotzdem erfahren.

Das sind ganz wunderbare Tipps! Ganz ohne Arbeit an den eigenen Gedanken geht es also nicht. Wie wichtig ist dabei das Umfeld? Ich meine wir sind immer von Menschen umgeben und da strömen auch fremde Gedanken auf uns ein, die vielleicht nicht immer positiv sind. Wie schafft man es da, sich abzugrenzen und trotzdem an allem, was wichtig ist, teilzuhaben? Durchsichtige Ohrenschützer gibt es ja leider nicht.

Wir haben ein feines Gespür dafür, wer uns nicht guttut. Das signalisiert uns schon unser Körper. Nach so einer Begegnung fühlen wir uns bedrückt oder ohne Energie. Im Freundeskreis lässt sich daraus die Konsequenz ziehen. Aber seine Verwandten, KollegInnen und Vorgesetzte kann man sich ja nicht unbedingt aussuchen. Da hilft nur ein Schutzschild gegen negative Einflüsse, indem man sich bewusst innerlich abgrenzt: »Das ist ihre (seine) Meinung, nicht meine.« Auch so viel äußerer Abstand wie möglich wirkt gegen Pessimisten und Energieräuber.

Sie sind Diplom Psychologin, Referentin und erfolgreiche Autorin von zahlreichen Ratgebern. Wie kommen Sie denn auf Ihre Buchthemen? Sind das lange Prozesse oder reagieren Sie auf aktuelle Themen?

Bei mir haben Vorschläge wie »Schreiben Sie doch mal über…« oder der Blick darauf, was gerade Trend ist, noch nie funktioniert. Das Thema taucht durch eine innere oder äußere Anregung auf und interessiert mich, zum Beispiel Wertschätzung, Charisma oder Selbstvertrauen. Einerseits muss ich dann bereits genug darüber wissen, andererseits möchte ich durch die Recherche Neues erfahren, sonst würde ich mich beim Schreiben langweilen. Schließlich überprüfe ich, ob die Idee inhaltlich ein ganzes Buch trägt, indem ich Kapitel plane. Ist das der Fall, geht die Arbeit los.

Ihr jüngstes bei dtv erschienenes Buch heißt »Nimm Dir die Freiheit, Du selbst zu sein.« Was macht Menschen, gerade Frauen, an die Sie sich ja hier gezielt wenden, unfrei und wie lässt sich das überwinden?

Die Ursachen liegen in der weiblichen Sozialisation, die trotz aller Emanzipation immer noch Harmonie, Hilfsbereitschaft und Anpassung verlangt. Überwinden lässt sich das durch Selbsterkenntnis »Was blockiert mich?«, indem man dann die verborgenen Wünsche entdeckt und mutig seine Komfortzone verlässt. Dafür möchte mein Buch Inspiration und praktisches Know-how geben.

Als Psychologin setzen Sie sich unentwegt mit der menschlichen Psyche auseinander, mit menschlichen Konflikten. Das muss doch auch für jemanden, der professionell damit umgeht, nicht ganz einfach sein?

Es gibt für mich auch nach Jahrzehnten nichts Spannenderes. Allerdings hatte ich die Möglichkeit, meine Schwerpunkte zu verändern: Psychologin der »Brigitte« und anderer Medien, Psychotherapeutin, Coach, Referentin, Buchautorin, Youtuberin. Wenn man wie viele meiner KollegInnen einseitig Psychotherapie macht und ausschließlich bei schweren Problemen berät, ist es auf die Dauer schon belastend.

Erfolgreich sind auch Ihre Youtube-Videos. Da gibt es Themen wie »Die Vergangenheit loslassen – So gewinnen Sie Kraft für die Gegenwart« oder »Richtig mit Sorgen umgehen – 5 Tipps, wie Sie Ihre Sorgen und Ängste stoppen und positiv denken.« Bekommen Sie auch Feedback von Menschen, die das erfolgreich angewendet haben und was hat diesen geholfen?

Zu jedem Video gibt es viele Kommentare. Ich lese und beantworte sie alle, auch wenn das oft Stunden dauert. Häufig sind Bestätigungen dabei. Bei manchen werden mir die Augen feucht, weil so ein kleines Video es schafft, ein Leben zu verändern. Einfach weil es zur richtigen Zeit kommt und den nötigen Hinweis gibt. So schreibt eine Frau, dass ein Aha-Erlebnis sie von einer langjährigen depressiven Verstimmung befreit hat. Eine andere hat sich entschlossen, endlich ihre lieblose Beziehung zu beenden. Ein Student mit Versagensängsten traut sich, eine Prüfung zu machen. Es gibt so viel positives Feedback, dass ich einfach nur glücklich bin, weil ich vielen Menschen das gute psychologische Handwerkszeug vermitteln kann, das ich in vielen Berufsjahren gesammelt oder entwickelt habe.

Frau Wlodarek, Sie arbeiten unter anderem mit konkreten, aufgelisteten Verhaltenstipps. Halten Sie sich selbst daran?

Es wäre unredlich, Wissen zu vermitteln, das nur auf Theorie basiert. Ich gebe nichts weiter, was ich nicht auch selbst ausprobiert habe. Es ist sozusagen Psycho-TÜV-geprüft. Vieles wende ich regelmäßig an, wie etwa die Dankbarkeitsübung oder die Tipps, wie man sich weniger ärgert. Vor allem die Kontrolle der Gedanken ist mir wichtig, denn unser Denken formt unsere Realität. Aber nobody is perfect. Ich muss mich auch immer wieder daran erinnern, dass es bewährte Mittel gibt, wie man sich besser verhält oder das Leben erleichtert.

Sie schreiben nicht nur selbst Bücher, sondern Sie sind auch begeisterte Leserin. Und Sie rezensieren Bücher in Ihrem Blog wlodarek.de. Tun Bücher unserer Psyche gut? Was fasziniert Sie selbst an Büchern?

Bücher sind Freunde, Coaches, Inspiration, Balsam für die Seele, entführen in andere Welten – Sie merken schon, meine Begeisterung für jede Art von Lektüre schlägt voll durch. Ich lese täglich, morgens Sachbücher, abends Romane. Und irgendwann habe ich gedacht: Es wäre doch schade, wenn nur ich etwas davon habe. So entstand der Blog. Wobei ich nur Bücher bespreche, die mir gefallen. Günstig ist sicher, dass ich vor der Psychologie Germanistik und Philosophie studiert habe und mein Urteil deshalb nicht nur reine Geschmackssache ist.

So viele Aktivitäten – Frau Wlodarek, Sie arbeiten sicher hochkonzentriert. Wie schafft man es, sich nicht ablenken zu lassen und fokussiert an etwas zu arbeiten?

Ich kann immer nur eins auf einmal. Multitasking wäre für mich purer Stress. Wenn ich ein Buch schreibe, Videos konzipiere oder einen Vortrag vorbereite, dann gibt es überwiegend nur das. Da ich alles liebe, was ich tue – natürlich nicht immer! -, komme ich meist in den berühmten Flow und merke nicht, wie die Zeit vergeht. Dazu muss ich mich nicht zwingen. Mir fällt es eher schwer, Pausen zu machen und mit Unterbrechungen umzugehen.

Sie haben meiner Meinung nach das schönste Dissertationsthema der Welt gewählt: Das Glück. Was ist für Sie Glück?

Ja, ich bin eine Pionierin der Glücksforschung. Damals befassten sich meine KollegInnen noch mit den Schattenseiten der Psyche, die Positive Psychologie war noch nicht erfunden. Heute weiß man: Es gibt zwei Arten von Glück: Das eine ist das Glück des Vergnügens, etwa ein Schaumbad oder ein Rockkonzert. Das andere ist das Glück der Belohnung und erfolgt erst nach längerer Anstrengung. Beides ist wichtig: Das erste, um Glanz in den Alltag zu bringen, das zweite, um dem Leben Sinn zu verleihen. Ein Glück des Vergnügens ist für mich der morgendliche Kaffee. Ein Glück der Belohnung ist, ein fertiges Manuskript abzugeben.

Das Interview führte Olga Tsitiridou.