›Das Moor‹ – Dr. Franziska Tanneberger im Interview
Olga Tsitiridou (dtv): Sie haben ein sehr interessantes Buch über das Moor geschrieben. Macht denn das Moor gerade einen Imagewandel vom düsteren, furchterregenden, Unort zur Zauberlandschaft gegen den Klimawandel durch?
Franziska Tanneberger: Ja, ich denke schon. Klar, Bilder von düsteren, unheimlichen Mooren haben wir auch im Kopf, aus vielen Büchern und Filmen. Aber immer mehr Menschen denken heute auch an Landschaften, die für uns, für das Klima und für sauberes Wasser sehr wichtig sind, und in denen wunderschöne Tier- und Pflanzenarten leben.
Sie schreiben, nichts speichert so viel Kohlenstoff über Jahrhunderte im Boden wie Moore, können Sie das unseren Leser*innen kurz erklären?
Hier geht es ja um den Kohlenstoff, den Pflanzen über die Photosynthese der Atmosphäre entziehen. Außerhalb von Mooren gelangt dieser nach relativ kurzer Zeit über die Zersetzung des Pflanzenmaterials wieder in die Atmosphäre, das ist der natürliche Kohlenstoffkreislauf. Bei Mooren ist das anders – die Zersetzung ist aufgrund des hohen Wasserstands gehemmt und der Kohlenstoff der abgestorbenen Pflanzen wird im Torf eingelagert. Das werden dann über die Zeit viele Meter dicke Schichten.
In Bayern heißt das Moor ja »Moos«. Und der Münchner Flughafen ist trotz aller Widerstände ins Erdinger Moos gebaut worden. Würde man das heute noch machen?
Ich hoffe nicht. Wir erleben aber auch heute noch, dass bei Infrastrukturprojekten wie Autobahnbau in die Moore hineingebaut wird. Vielen Beteiligten ist zu wenig klar, dass Moore Vorranggebiete für Klimaschutz sein müssten.
Sie plädieren dafür, Moore zu restaurieren, wieder zu vernässen. Gut fürs Klima, aber lässt sich das gegen den Widerstand etwas aus der Landwirtschaft ausreichend umsetzen?
Widerstand kommt ja nicht aus dem Nichts. Wir sprechen hier über tiefgreifende Veränderungen in der Landschaft - dabei müssen die Belange der Eigentümer*innen und Bewirtschafter*innen von Anfang an mitgedacht und berücksichtigt werden. Zum Glück können auch wiedervernässte land- und forstwirtschaftlich bewirtschaftet werden. Einige dieser Verfahren sind praxisreif, andere noch in Entwicklung. Ich bin überzeugt, dass sich mehr und mehr Landwirt*innen für nasse Moorbewirtschaftung entscheiden werden.
In Ihrem Buch schreiben Sie an einer Stelle: »Wo Mücken herumsausen und eine Stille herrscht, wie ich sie von keiner anderer Landschaft kenne.« Das beruhigt schon beim Lesen. Erklären Sie uns diese »Stille« und was für Sie die Faszination des Moores ausmacht.
Woher diese Stille kommt, kann ich gar nicht so ganz genau erklären. Vielleicht entsteht sie, weil wir selber in einem nassen Moor innehalten, uns nicht so schnell bewegen. Dazu kommt dann der schwankende Boden, die andersartigen Pflanzen, und der oft besonders weite Himmel. Alles zusammen fasziniert, und muss uns nicht beunruhigen. Ganz im Gegenteil.
Welche Wünsche, Hoffnungen, Visionen haben Sie für die Zukunft? Haben wir die Rettung unseres Planeten im Griff? Wobei es ja eher um die Bewahrung einer für den Menschen lebenswerten Umwelt geht. Den Mooren ist es wahrscheinlich egal, was mit den Menschen wird.
Ich habe die Hoffnung, dass wir – mit den Kräften der Natur und unseren Fähigkeiten als Menschen zu Kooperation und Vernunft – die aktuellen Krisen, wenn auch nicht ganz beenden, so doch ein Stück weit aufhalten können. Im Griff haben wir das noch nicht. Aber wir haben die Mittel dazu selbst in der Hand. Und dafür lohnt es sich jeden Tag aufzustehen und weiterzumachen.
Interview: Olga Tsitiridou (dtv), Mai 2023
Betritt man unser Verlagsgebäude ist Olga Tsitiridous Gesicht das Erste, das einem vom Empfang entgegenstrahlt. Für das dtv Magazin stellt Olga regelmäßig ihre persönlichen Lese-Highlight aus dem aktuellen Programm vor, lässt aber auch immer wieder ihren Schreibtisch zurück und macht sich auf die Suche nach neuen, spannenden Stories über alles, was ein Bücherherz bewegt.