Zu Besuch bei … Tessa Randau
Wohin kann sie sich zum Schreiben zurückziehen? Welches Buch begleitet sie seit ihrer Jugend? Welche Rolle spielt ihr Bauchgefühl? Die Antwort auf diese und weitere Fragen erfahrt ihr hier: Herzlich willkommen in der Schreibwerkstatt von Tessa Randau!
Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?
Einen festen Schreiballtag gibt es bei mir nicht. An manchen Tagen schreibe ich nicht eine Zeile, weil andere Dinge auf meiner To-do-Liste stehen. Doch egal, ob ich schreibe oder nicht, mein Tag beginnt meist mit einem kleinen Spaziergang oder einer kurzen Fahrradrunde. Da kommen mir oft die ersten Ideen. Danach dusche ich und spätestens dort entstehen neue Gedanken und Dialoge. Dann schaffe ich es meist gerade noch, in meine Kleidung zu springen und zum Sofa zu flitzen. Dort schreibe ich mit meinem Laptop auf dem Schoß. Nicht selten passiert es, dass ich ein paar Stunden später immer noch ungeschminkt und mit zerzaustem Haar dort sitze und beim Blick auf die Uhr erschreckt feststelle, dass ich jetzt schnell ein Mittagessen für meine zwei Kinder aus dem Hut zaubern muss. Manchmal schreibe ich auch abends, wenn die Kinder im Bett sind oder nutze die Abende, um meine Texte zu redigieren. Und wenn ich zu Hause nicht weiterkomme, kann es auch schon mal sein, dass ich mich ein Wochenende lang ausklinke und in den Nachbarort zu meinen Eltern fahre. Dort gehe ich dann im Wald spazieren, lasse mir den Kopf freipusten und setze mich anschließend in den Wintergarten, mit Blick ins Grüne, um zu schreiben.
Haben Sie dabei feste Rituale?
Nein, Rituale habe ich keine. Aber ich brauche Ruhe und Zeit. Ich muss das Gefühl haben, richtig in meine Geschichte eintauchen und selbst Teil der Handlung werden zu können. Wenn ich weiß, jeden Moment könnte eines meiner Kinder „Mami“ rufen und etwas von mir wollen, dann klappt das einfach nicht. Deshalb habe ich während der Corona-Zeit auch nicht an meinem zweiten Buch weitergeschrieben. Vormittags waren beide Kinder zu Hause und abends war ich zu müde, um kreativ zu sein. Aber ich spüre, wie sehr mir das Schreiben fehlt und will in den nächsten Tagen versuchen, abends weiterzumachen.
Arbeiten Sie mit einem Notizheft, einer Pinnwand oder Ähnlichem?
Ich mache das meiste digital. Wenn ich unterwegs bin und mir ein guter Gedanke kommt, spreche ich mir eine Notiz mit der Diktierfunktion meines Handys auf. Witzigerweise höre ich mir diese Notizen aber fast nie an. Alles, was wichtig ist, bleibt in meinem Kopf. Bei meinem zweiten Buch, an dem ich gerade schreibe, hat es mir aber auch geholfen, eine Skizze anzufertigen. Diese liegt jetzt in dem alten Koffer, der in meinem Wohnzimmer steht und mir als Büro dient.
Was wollten Sie als Kind werden?
Als ich neun war, wollte ich Autorin werden und ein Buch über meinen Hasen Hopsi schreiben. Aber das war nur eine kurze Phase. Eigentlich habe ich mir über das Erwachsensein kaum Gedanken gemacht. Am liebsten wäre ich damals einfach ein Kind geblieben.
Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Mich hat es zwei, drei Mal im Leben gepackt. Da hatte ich eine Buch-Idee und habe mich hingesetzt und mit den ersten Seiten angefangen. Aber es war jedes Mal nur wie ein kurzer Blitz, der mich durchzuckt hat, und nachdem die ersten Gedanken niedergeschrieben waren, war der Schreibdrang weg. Vor zwei Jahren kam dann meine Freundin Meike Werkmeister auf mich zu, die wusste, dass ich eigentlich schon immer gerne ein Buch schreiben wollte und fragte mich, ob ich ein Sach-Buchprojekt übernehmen wollte, für das sie selbst keine Zeit hatte, weil sie gerade an ihrem Roman Sterne sieht man nur im Dunkeln schrieb. Ich war Feuer und Flamme und habe sofort losgelegt. Doch auch dieses Projekt kam nicht über die Startphase hinaus, weil ich seit ein paar Jahren sehr auf mein Bauchgefühl höre und es gute Gründe gab, dass mein Bauch „Nein“ gesagt hat. Kurz darauf kam mir die Idee zu Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich. Und auf einmal konnte ich gar nicht mehr aufhören zu schreiben. Plötzlich fühlte sich alles richtig an, so, als könne ich all‘ die losen Fäden, die ich schon seit Jahren in den Händen hielt, endlich zu einem Teppich verweben. Ab der ersten Zeile wusste ich: Das wird mein erstes Buch.
Welcher Autor oder welches Buch hat Sie nachhaltig geprägt?
Ich liebe Anne auf Green Gables von Lucy Mount Montgomery. Ich weiß nicht, ob mich das Buch geprägt hat, aber es hat mich von der ersten Seite an tief berührt. Ich glaube, ich war 14, als ich es zum ersten Mal las und seitdem habe ich es alle paar Jahre wieder in die Hand genommen und war jedes Mal aufs Neue verzaubert. Ich fühle mich jedes Mal eng mit Anne verbunden – ein verträumtes Mädchen, das die Natur und poetische Sprache liebt. Anne hat ein großes Herz, ist aber auch eine ehrgeizige Kämpferin, die unbeirrt ihren Weg geht. Für mich ist sie eine verwandte Seele – so nennt Anne Menschen, mit denen sie sich sofort vertraut und auf eine besondere Weise verbunden fühlt.
Welcher Autor sollte unbedingt noch entdeckt werden?
Da fällt mir leider niemand ein. Die Bücher, die ich gerne lese oder die mich sehr bewegt haben, wurden alle schon entdeckt und haben meist über Empfehlungen von Freundinnen oder über Büchertische mit Bestsellertiteln den Weg zu mir gefunden.
Welches Buch hat Sie jüngst begeistert?
Zwei an einem Tag von David Nicholls. Ich fand sowohl die Idee großartig, eine Liebesgeschichte über 20 Jahre lang zu erzählen und dabei in jedem Jahr immer nur den gleichen Tag zu beleuchten. Gleichzeitig mochte ich es sehr, wie Nicholls anhand der Figuren den Zeitgeist der 90er und frühen 2000er Jahre eingefangen hat. Außerdem hat er mit Emma und Dexter zwei großartige Figuren erschaffen, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Und zuletzt hat mich Nicholls aus dem Nichts heraus tief berührt, so dass ich plötzlich schluchzend auf dem Sofa saß und auch eine Stunde später, im Bad, wieder in Tränen ausbrach, weil mich die Geschichte noch so sehr beschäftigte. Das Buch hat noch tagelang in mir nachgehallt.
Wen oder was wollen Sie unbedingt noch lesen?
So ein Buch habe ich nicht. Aber in meinem Regal steht – neben anderen noch ungelesenen Büchern – "Drei auf Reisen" von David Nicholls. Und da mir "Zwei an einem Tag" so gut gefallen hat, ist das wahrscheinlich als nächstes dran.
Was lesen Sie zurzeit?
Der Verehrer von Charlotte Link. Ich liebe Krimis und lese gerne Autorinnen wie Elisabeth George, Charlotte Link und Nele Neuhaus, bei denen nicht die Tat, sondern die Figuren und die Psychologie hinter dem Verbrechen im Vordergrund stehen. Allerdings bereiten mir Krimis zunehmend auch Probleme. Es fällt mir inzwischen immer schwerer, den Thrill zu genießen, weil mir bewusst ist, dass solche Gräueltaten auch tatsächlich passieren. Dass es wirklich Menschen gibt, die auf schreckliche Art und Weise sterben oder für immer traumatisiert sind, wenn sie ein Verbrechen überleben. Seit ich Mutter bin, gehen Krimis, in denen Kindern etwas Schlimmes widerfährt, gar nicht mehr für mich.
Wo lesen Sie am liebsten?
Dort, wo es ruhig und gemütlich ist. Auf dem Sofa, auf dem Liegestuhl, im Bett. Aber auch sehr gerne auf langen Zugreisen.
Wofür legen Sie jedes Buch beiseite?
Das ist leider ein Problem. Wenn mich ein Buch packt, ist es extrem schwer für mich, aufzuhören. Dann ist mir alles um mich herum egal. Dann bin ich wie eine Süchtige, schlage mir die Nächte um die Ohren und bin am nächsten Tag eine unausgeschlafene, grummelige Mutter, die ihren Kindern nicht richtig zuhört und stattdessen denkt: „Ich will weiterlesen!“ Aus diesem Grunde habe ich in den letzten Jahren viel weniger gelesen, als ich eigentlich gerne gewollt hätte. Zum Selbstschutz, sozusagen.